Forschungsbericht

Im Jahr 2009, mit Beginn der Förderung des SFB 815, war die oxidative Schädigung von zellulären bzw. Organstrukturen etabliert und in Einzelfällen mechanistisch verstanden. Unser neuartiges Konzept verfolgte die Hypothese, die Redox-Regulation als universelles Steuerungselement der Signaltransduktion zu verstehen und es losgelöst vom oxidativen Stress zu betrachten. Wir vermuteten, dass Prinzipien der Redox-Regulation, ähnlich wie das fundamentale Steuerungsprinzip der Phosphorylierung vs. Dephosphorylierung, Zellfunktionen reversibel koordinieren.

Mit dem integrierenden Prinzip der Redox-Regulation verfolgten wir einerseits innovative Ansätze bezüglich eines basalen oxidativen Tonus zur Steuerung vitaler Zellfunktionen und andererseits die Idee, dass Redox-Signale zur Zellprotektion (Adaptation, Desensitivierung, Heilung, Schmerz) beitragen, um so überschießende pathologische Antworten zu kompensieren. Das Verständnis der Kommunikation durch Redox-Komponenten bzw. deren funktionelle Konsequenzen sollte zur Identifikation definierter posttranslationaler Proteinmodifikationen von Markerproteinen führen und mittels Proteomanalysen spezifische Redox-Signaturen aufzeigen. Durch gezielte Ausschaltung, Überexpression, Hemmung oder selektive Aktivierung von Signalkomponenten im Redox-Signalnetzwerk zielten die Forschungsansätze auf eine translationale Komponente ab. Durch die Kombination eines breiten Methodenspektrums, das einen vertikalen Arbeitsansatz vom Enzym/Protein über zelluläre Systeme bis zum Tierexperiment beinhaltet, war es unser Ziel, auch humanrelevante Fragestellungen zu adressieren. Der Einsatz von Redox-Proteomics zielte darauf ab, neue Komponenten der Redox-Regulation in Form von Zielstrukturen bzw. Signalketten und Proteinclustern zu identifizieren. Der ambitionierte und konzeptionell neue Ansatz, die Redox-Regulation, ausgehend von der Sauerstoffverfügbarkeit und den vielfältigen Reaktionsprodukte, als integratives Steuerungsprinzip physiologischer Signale zu verstehen, war ambitioniert und außerordentlich komplex. Unsere Initiative hat Wissenschaftler mit unterschiedlichen Expertisen, Kenntnissen, Forschungsfeldern und methodischen Ansätzen von der Grundlagenforschung bis zur Klinik auf der gemeinsamen Interessensplattform der "Redox-Regulation" zusammengeführt.

Die wachsende Attraktivität, die Redox-Regulation als ein universelles, reversibles Steuerungselement zu verstehen, stößt oft an technische Limitierungen des Nachweises. Eine einfache Detektion der Redox-Metabolite im biologischen Kontext gestaltet sich schwierig, gezielte Hemmstoffe zeigen oft nicht die gewünschte Selektivität und Redox-Generatoren reflektieren nur unzulänglich die Kinetik einer endogenen Redox-Veränderung. Zudem sind die Redox-Metabolite O2-, NO, H2S und O2 in ihren chemischen Reaktionen nicht singulär zu betrachten, sondern erzeugen, bedingt durch ihre Reaktivität, eine Vielzahl an Sekundärprodukten, die ihrerseits wiederum Redox-Reaktionen eingehen. Diesen Herausforderungen hat sich der SFB 815 gestellt, um Methoden zur Detektion und Quantifizierung von Redox-Veränderungen weiterzuentwickeln, Redox-Knotenpunkte zu identifizieren und deren Mechanismen sowie Funktionen zu entschlüsseln.


Abb.2Während in der ersten Förderperiode die Generierung von Redox-Signalen durch NADPH-Oxidasen und Mitochondrien sowie die Rolle von Sauerstoff einschließlich der Hypoxie-vermittelten Genexpression, die Bildung der Sauerstoffmetabolite O2- und NO und deren Interaktion sowie die Produktion von H2S im Vordergrund standen, lag der Arbeitsschwerpunkt der zweiten Förderperiode auf den funktionellen Konsequenzen der Redox-Regulation. Fokus der durch NADPH-Oxidasen und ROS-vermittelten Signale war deren Rolle bei der Zelldifferenzierung sowie Modulation von Schmerz- und Entzündungssignalen. Aspekte der Entzündungsregulation standen auch bei der Redox-Modulation von RNA-Bindeproteinen durch ROS, H2S oder Antioxidantien im Mittelpunkt. Signale, von Sauerstoff/HIF ausgehend, wurden in Bezug auf die Genexpression im Kontext von Infektion und Tumorprogression charakterisiert, während ausgewählte Redox-Zielstrukturen bei der Zellkommunikation, Zellüberleben, chronischer Entzündung und Schmerz untersucht wurden. In der dritten Förderperiode untersuchten die Teilprojekte die Redox-Prägung biologischer Systeme. Unsere Arbeiten zu den Generatorsystemen hatten uns in die Lage versetzt, ausgewählte Redox-Zielstrukturen molekular zu entschlüsseln und distinkte funktionelle Konsequenzen der Redox-modifizierten Zielstrukturen aufzuzeigen. Die Arbeiten zielten darauf ab, zu verstehen, wie ausgewählte Redox-regulierte Zielstrukturen komplexe biologische System prägen. Spezifische Ansätze adressierten Probleme, wie Redox-Signale sich auf zellulärer Ebene, Organeben und/oder dem Gesamtorganismus sichtbar bzw. detektierbar sind, ob diese Prägungen kausal auf die Redox-Zielstrukturveränderungen zurückzuführen sind und welche Redox-Phänotypänderungen als generelle (Bio-)Marker nutzbar sind. Dies beinhaltet Fragen, welche Zellantworten bzw. Krankheits-relevanten Ausprägungen ursächlich auf reversiblen Redox-Veränderungen basieren. Hierfür ist das Z01-Projekt mit seinen etablierten Methoden, aber auch der Entwicklung neuer Methoden zu Proteomveränderungen und Erkennung von Redox-Proteinsignaturen entscheidend beteiligt. Messungen der Redox-Metabolomsignatur sollen helfen, die Prägung biologischer System durch Redox-Signale umfassend zu bearbeiten und zu verstehen.

Der SFB 815 hat darauf hingearbeitet das Zusammenspiel von Generatorsystemen und ausgewählten individuellen funktionellen Konsequenzen zusammenzuführen, um die Prägung biologischer Systeme durch Redox-Signale zu verstehen. Idealerweise geht es um die Abstraktion individueller Redox-verursachter Funktionsänderungen für hierarchisch komplexere Signalabläufe, so dass die Auswirkung singulärer Redox-Targetmodifikationen für Zellen, Organe und ggf. den Gesamtorganismus eingeschätzt werden kann. Die von unserem Konsortium vertretene vertikale experimentelle Herangehensweise der Teilprojekte kann nun Aussagen zur Relevanz der Redox-Modifikation für multifaktoriell regulierte biologische Systeme, z.B. Entzündung, Heilung, Schmerzmodulation, Hypoxie und vaskuläre Ereignisse liefern. Durch Arbeiten der letzten Jahre sind wir in der Lage die Signifikanz unserer Beobachtungen für die pathophysiologische Steuerung komplexer Netzwerkstrukturen zuerkennen und in ihrer Relevanz, Allgemeingültigkeit, Robustheit und Tauglichkeit als Marker abschätzen. Die Arbeiten legen somit die Basis zum Verständnis der Pathogenese von Erkrankungen und eröffnen über die spezifische Modulation des Redox-Signalings neue therapeutische Optionen. Mit Hilfe der Erkenntnisse unserer Arbeiten können in der Zukunft Redox-Biomarker etabliert und verifiziert werden und Redox-Signaturen in den in Frankfurt etablierten Forschungsschwerpunkten bestimmt werden. Weiter sollte es möglich sein, vorhandene Daten des Proteoms mit Daten anderer Omics-Technologien zum data mining zu nutzen, um Korrelationen zu metabolischen oder epigenetischen Veränderungen aufzuzeigen.